Wenn der Geschädigte für dumm verkauft werden soll

Dass ein Haftpflichtversicherer nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall aus seiner Sicht vermeidbare Kosten reduzieren will, ist sicher nachvollziehbar und korrespondiert zweifelsfrei gelegentlich mit Empfehlungen der Dienstleister der „Geschädigtenseite“, möglichst alle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Dies hat mit den wirtschaftlichen Interessenlagen zu tun. Man kann dies sicher kritisieren, aber in einem Wirtschaftssystem, das von Interessen unterschiedlicher Gruppierungen geprägt ist, ist dies sicher hinzunehmen.

Wenn allerdings die Zielsetzung die offensichtliche Manipulation des Geschädigten ist, ist die Grenze einer vertretbaren Geltendmachung von Wirtschaftsinteressen überschritten.

Ein besonderes auffälliges Beispiel ist das Anschreiben der Mecklenburgischen Versicherung an Geschädigte, in dem wörtlich ausgeführt wird:

„Vorab einige wichtige Hinweise für Sie

Sollten die voraussichtlichen Reparaturkosten für Ihr Fahrzeug einen Betrag von 2.000,- EUR nicht übersteigen und liegt vermutlich kein Totalschaden vor, schicken Sie uns bitte einen Kostenvoranschlag und einige aussagekräftige Schadenfotos. Die Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen ist in den meisten Fällen nicht erforderlich.

Sie vermuten, dass die Erstellung eines Gutachtens aufgrund der Schadenhöhe notwendig ist? Gern empfehlen wir Ihnen die bundesweit tätigen Organisationen:

Schaden-Schnell-Hilfe GmbH              Telefon         040 – 5247167 – 200

Carexpert                                             Telefon         06123 – 9777 – 777

DEKRA                                                 Telefon         0711 – 7861 0

 

Beauftragen Sie einen anderen Kfz-Sachverständigen, vergewissern Sie sich bitte, dass dessen Honorar das ortsübliche Honorar für ein Gutachten nicht übersteigt. Sie vermeiden damit das Risiko, dass wir die Gutachterkosten nicht in vollem Umfang übernehmen.“

Der mit der Unfallsituation in der Regel überforderte Geschädigte geht nach diesen Fragen davon aus, dass die Mecklenburgische Versicherung ein besonders großzügiger Versicherer ist, der nur im Ausnahmefall ein Gutachten benötigt. Selbst bei höheren Schäden „verzichtet“ die Mecklenburgische Versicherung auf einen Sachverständigen – bewusst davon ablenkend, dass es nicht das Recht des Schädigers ist, einen Sachverständigen hinzuzuziehen, sondern das ureigene Recht des Geschädigten, um sich auf Augenhöhe mit dem Schädiger bei der Geltendmachung des Unfallschadens auseinandersetzen zu können.

Für den Fall, dass „ausnahmsweise“ nun doch ein Gutachten erforderlich sein sollte, verweist die Mecklenburgische Versicherung auf die Organisationen Schaden-Schnell-Hilfe GmbH, Carexpert und DEKRA, ohne darauf hinzuweisen, dass die Mecklenburgische Versicherung als Schädiger mit diesen Organisationen offenbar besondere Beziehungen pflegt.

Das LG Gießen hat entschieden, dass der Kunde aufzuklären ist, falls die Werkstatt einen Sachverständigen empfiehlt, aber tatsächlich Teile des Gutachtens durch die Werkstatt selbst erstellt werden.

Anders kann die Situation auch vorliegend nicht gewertet werden. Wurden beispielweise bei der Gutachtenerstellung Vorgaben des Versicherers beachtet oder würden besondere Honorare zur Anwendung kommen, die im Verhältnis zu anderen Auftraggebern nicht gelten, müsste auch hier die Verpflichtung sowohl für die Versicherung aber auch für den Sachverständigen gegeben sein, den Geschädigten genau hierüber aufzuklären.

Abgesehen davon macht auch dieses Schreiben deutlich, dass eine objektive Schadenfeststellung unter Beachtung objektiver Qualitätskriterien keine Rolle spielt. Verständnis hätte man noch haben können, wenn auf die öffentliche Bestellung und Vereidigung oder Personenzertifizierung verwiesen worden wäre.

Wichtiger scheint es zu sein, den Geschädigten weiter dadurch zu verunsichern, dass man ihm mitteilt, bei der Berücksichtigung anderer Sachverständiger bestünde ein Kostenrisiko, soweit diese nicht ortsüblich abrechnen würden.

In Verbindung mit den vorgenannten Sachverständigenorganisationen kann dies für einen unbefangenen Leser nur bedeuten, dass jedenfalls bei diesen Organisationen ein Kostenrisiko nicht besteht.

Den BGH derart einseitig zu interpretieren, dürfte fast schon schwieriger gewesen sein, als die vollständige Wiedergabe der entsprechenden BGH-Passagen.

Die Vielzahl der manipulativen Hinweise der Mecklenburgischen Versicherung lässt noch hoffen, dass selbst der unerfahrene Geschädigte die Absicht erkennt und sich schon deshalb kompetenten rechtlichen und technischen Rat sucht – ganz anders als die Mecklenburgische Versicherung sich dies gedacht hat. Selbst wenn das Verhalten der Mecklenburgischen Versicherung wettbewerbsrechtlich (noch) im zulässigen Bereich liegen sollte, handelt es sich doch um ein derart dreistes Beispiel, bei dem überlegt werden sollte, den Geschädigten durch Übergabe dieses Beitrages aufzuklären.  

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